DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-05-2024 08:01
SXEU31 DWAV 100800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 10.05.2024 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HM (Hoch Mitteleuropa)

Heute und am Wochenende Hochdruckeinfluss mit gewissen Schönheitsfehlern. Ab der
Nacht zum Montag von Südwesten her beginnende Umstellung der Großwetterlage (=>
zunehmend unbeständig mit Regenfällen und Gewittern).

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... fällt der Luftdruck leicht bei uns in Deutschland, was aber kein
Grund zur Sorge ist (inzwischen steigt er sogar wieder ganz leicht). Das
wetterbestimmende Hoch THOMAS, das mittlerweile vom Kollegen UWE unterstützt
wird ("Anbau" in Skandinavien), bleibt uns erhalten und das sogar über das
Wochenende. Allerdings haben die beiden Athleten durchaus ein paar
Schwachstellen, was aber nur menschlich ist. Wo diese liegen und wie sie sich
auswirken, dazu im Folgenden mehr.

Aktuell befindet sich das Zentrum des Hochs mit etwas über 1025 hPa über der
südlichen Nordsee, von wo aus sich ein Keil bis nach Norwegen erstreckt (UWE),
während gleichzeitig ein breiter, brückenartiger Korridor bis nach Osteuropa
reicht. Gestützt wird die Hochdruckzone von einem veritablen, nahezu stationären
Höhenrücken, dessen Achse von der Iberischen Halbinsel über Frankreich bis zur
Nordsee reicht. Vor dort zweigt ein Ast Richtung Norwegen/Nordmeer, ein zweiter
Richtung Island/Irminger See ab. Wichtiger als dieses Splitting ist aber die
Tatsache, dass die Nordostflanke des Rückens anfällig für kurzwellige Störungen
ist, die ihn in Form kleiner Sekundärtröge im Uhrzeigersinn umlaufen. Eines
dieser Exemplare ist gerade dabei, den Vorhersageraum süd-südostwärts zu
überqueren, was bis Mittag weitgehend erledigt sein dürfte. Der Trog hat vor
allem dem Norden und Osten einige ausgedehnte Wolkenfelder gebracht, aus denen
sich hier und da sogar ein paar Tropfen Regen herausquetschen ließen.

In den nächsten Stunden zieht ein Teil dieser Bewölkung ab bzw. wechselt
tagesgangbedingt vom stratiformen in den eher aufgebrochenen, konvektiven
Charakter. Zwar steht erstmal kein neuer Randtrog ante portas, trotzdem werden
Teile des Nordens und des Ostens ihren mal mehr, mal weniger wolkigen Charakter
nicht ganz los. Auf der Suche nach den Gründen dafür wird man fündig in der
Ausrichtung der Divergenzachse des Bodenhochs. Die ist aufgrund des extrem
flauen Druckgradienten zwar nicht eindeutig definiert, es lässt sich aber
durchaus eine gedachte Linie von der Deutschen Bucht bis etwa zum Lausitzer
Bergland ausmachen. Nord-nordöstlich davon weht der schwache Wind aus Nordwest
bis Nord, was eine gewisse Feuchtezufuhr von der Nordsee her gewährleistet.
Diese wird genutzt, um mit Hilfe der Einstrahlung reichlich Quellungen zu
generieren, die im Osten erst zwischen 750 und 700 hPa auf die recht hoch
liegende Absinkinversion stoßen. Das könnte sogar reichen, um ein paar
vereinzelten schwachen Schauern zu einem Kurzauftritt zu verhelfen. Nach
Nordwesten hin sind Schauer eher unwahrscheinlich, weil sich zwischen 950 und
900 hPa noch eine zweite (oder von unten betrachtet die erste) Sperrschicht
befindet. Hier ist eher das Problem, dass große Teile der Nordsee mit tiefem
Stratus oder sogar Nebel zugepflastert sind, was zumindest zeitweise auch auf
die Inseln sowie das küstennahe Binnenland abfärbt. Die frühmorgendlichen
Webcams von Norderney oder Wangerooge beispielweise sind alles andere als eine
frühsommerliche Offenbarung.

Für den großen Rest der Nation, der sich süd-südwestlich der Divergenzachse
befindet (=> schwacher Nordostwind), ist die Tagesgeschichte rasch erzählt. So
scheint nach Auflösung letzter lokaler Nebelreste die Sonne, die wiederum die
bis rund 800 hPa reichende labile Grundschicht aktiviert, was sich in der
Bildung flacher Cu hum widerspiegelt. Dem Input direkter Solarstrahlung tut das
keinen allzu großen Abbruch, auch wenn die Sonnenausbeute nicht zu 100%
gleichverteilt ist (im Südwesten etwas mehr als z.B. Richtung Mitte).

Die eingeflossene, inzwischen in weiten Teilen des Landes gealterte Polarluft
(xPs; T850 5 bis 9°C) erwärmt sich auf 20 bis 25°C. Nur im äußersten Norden und
Nordosten bleibt es mit 15 bis 20°C etwas, direkt an der See mit teils nur 12°C
um einiges frischer.

In der Nacht zum Samstag ändert sich wenig an der Gesamtkonstellation.
Allerdings werden Teile Nord- und Ostdeutschlands vom nächsten, relativ flachen
Randtrog touchiert, der von Südskandinavien kommend südostwärts schwenkt. Er
bringt neue Wolkenfelder in verschiedenen Stockwerken, es bleibt aber sehr
wahrscheinlich trocken. Dort, wo die Wolken nicht so richtig hinkommen -
wahrscheinlich am ehesten Richtung Nordwesten - kann sich teils dichter Nebel
bilden.

Ansonsten löst sich die Tagesbewölkung weitgehend auf und je nach Höhenlage (die
Kaltlufthaut unterhalb der Strahlungsinversion ist sehr flach) kühlt es auf 12
bis 3°C ab. Im Süden muss vereinzelt mit leichtem Frost in Bodennähe gerechnet
werden.

Samstag... verlagert sich der Höhenrücken geringfügig nach Osten, während das
Zentrum des Bodenhochs die Stellung über der Nordsee mit etwas über 1025 hPa
hält. Für den größten Teil des Vorhersageraums bedeutet das einen störungsfreien
Samstag mit viel Sonne (die meiste zwischen Südbaden und dem Saarland bzw. der
Pfalz), aber auch einigen Kumuluswolken. Die Luftmasse kann sich weiter erwärmen
und kommt am Ende mit Ausnahme des äußersten Nordens und Nordostens auf 21 bis
27°C, wobei das Erreichen eines Sommertags den Regionen am und um den Rhein
herum sowie seinen Nebenflüssen vorbehalten ist.

Am interessantesten aus synoptischer Sicht wird es morgen im Osten sowie in
Teilen der Mitte, wo der kleine Randtrog aus der Nacht in Richtung Tschechien
durchschwenkt. Zunächst mal wird es um einiges wolkiger als in den übrigen
Regionen. Hinzu kommt aber auch noch ein gewisses Schauerpotenzial, auch wenn es
wahrscheinlich nicht für die ganz großen Kracher reichen wird. Auffallend ist
die Feuchteakkumulation innerhalb der Luftmasse (PPW vorübergehend bis zu 25
mm), während sich die Labilität (Lapse-Rates nur 0,5 bis 0,6 K/100 m zwischen 2
und 4 km Höhe) in Grenzen hält. Es genügt aber, um ein geringes Quantum CAPE zu
generieren, was im Extremfall reichen könnte, ein kurzes Gewitter oder zumindest
einen gewittrigen Schauer aufs Parkett zu zaubern. Voraussetzung dafür aber ist,
dass es der Randtrog schafft, die Sperrschicht bei 700 hPa kurzzeitig mal zu
knacken, was laut ICON-D2 und SuperHD durchaus möglich ist. Schaun mer mal...

In der Nacht zum Sonntag verabschiedet sich der Randtrog endgültig, während der
Rücken noch dichter an uns heranrückt. Auch verschiebt sich das Zentrum des
Hochs Richtung Ostsee respektive Dänemark/Südschweden. Letzte Schauer im
Erzgebirge sind bald Geschichte, so dass die Nacht landesweit trocken verläuft.
Was bleibt sind einige Wolkenfelder im Norden und Osten, wobei die Modelle noch
uneins bei der Parametrisierung sind. Einigkeit herrscht aber diesbezüglich,
dass in den westlichen Landesteilen Cirrusbewölkung auftaucht, was im Grunde
genommen keine große Meldung wert ist. In diesem Falle verdient es aber insofern
Erwähnung, als dass die Cirren als Menetekel einer bevorstehenden Wetteränderung
angesehen werden können, die uns (oder sagen wir besser Teilen von uns) ab der
Nacht zum Montag bevorsteht.

Die Temperatur geht landesweit auf 13 bis 4°C zurück, wobei die tiefsten Werte
in den Senken und Mulden Süddeutschlands zu erwarten sind.

Sonntag... erreicht der Rücken mit seiner nord-süd-exponierten Hauptachse den
Westen des Vorhersageraums. Das leicht nach Osten versetzte Bodenhoch verbringt
den Sonntag mit seinem Schwerpunkt über der Ostsee, so dass der leicht
auflebende Wind (Tagesgang + Supergeostrophie) deutschlandweit auf Ost bis
Südost dreht. Dabei wird von Polen her trockene Kontinentalluft nunmehr auch in
den Norden und Nordosten geführt (PPW unter 20 mm, spezifische
Grundschichtfeuchte nur noch 4-6 g/kg), so dass dort die Chancen für längeren
Sonnenschein um Längen besser stehen als an den Vortagen. Insbesondere in
Vorpommern dürfte das astronomisch maximal mögliche Tagesquantum an Einstrahlung
voll ausgeschöpft werden. Ansonsten entwickeln sich im ganzen Land wieder
Quellwolken, die dem freundlichen Wettercharakter aber nicht viel anhaben
können, auch wenn die Kumulanten in der Südwesthälfte von Cirrusbewölkung
unterstützt werden.

Meistens jedenfalls, denn es lässt sich nicht leugnen, dass die Luftmasse
abgesehen vom Norden und Nordosten inzwischen leidlich labil geschichtet ist.
Vor allem über den östlichen und zentralen Mittelgebirgen sowie von den Alpen
bis hinüber zum Schwarzwald sowie weiter bis zum Saar-Nahe-Bergland wird sogar
etwas ML-CAPE generiert, was reichen könnte, um neben einzelnen Berglandschauern
auch ein oder zwei Gewittern zur Geburt zu verhelfen. Nach Osten hin gibt es
zusätzlichen Support von einem weiteren Sekundärtrog, der sich von der Ostsee
her landeinwärts ausweitet und dabei sogar etwas verschärft. Über dem Bergland
könnte das was nützen, ansonsten trifft der Trog aber auf wenig fruchtbaren
Boden (zu trockene Luft), um irgendwelchen "Schaden" anzurichten.

Fakt ist, dass sich die Luft noch etwas mehr erwärmt als am Vortag. So kommen
wir am Sonntag verbreitet auf 23 bis 27, am Oberrhein punktuell vielleicht sogar
28°C. Nicht ganz so warm wird es nach Osten und Nordosten hin, an der Küste bei
auflandigem Wind sowie im höheren Bergland keine 20°C.

In der Nacht zum Montag wird es dann zumindest im Westen und Südwesten spannend.
Nicht nur dass dort die stark diffluente Vorderseite eines Troges über
Frankreich aufschlägt (=> PVA). Hinzu kommt die Annäherung einer Rinne, die zu
einem Tiefdrucksystem zwischen UK/Irland und Island gehört. Die Rinne schiebt
instabile, vor allem aber zunehmend feuchte Subtropikluft vor sich her (Anstieg
PPW auf 25 bis 30 mm), mit der sich konvektiv durchaus was anfangen lässt. Auch
wenn nur wenige 100 J/kg MU-CAPE zur Verfügung stehen, muss doch stark davon
ausgegangen werden, dass von Frankreich, Luxemburg und Belgien her
schauerartige, mit einzelnen Gewittern durchsetzte Regenfälle oder auch einzelne
isolierte Gewitter auf deutsches Territorium übergreifen. Zwar liegt etwas LLS
vor, von nennenswerter Organisation der Konvektion ist derzeit aber nicht
auszugehen. Aufgrund der abgehobenen Labilität (ELM Elevated Mixed Layer) ist
Starkregen wahrscheinlich der dominierende Begleitparameter.

Während in der Südwesthälfte zumindest die Bewölkung zunimmt - wie weit genau
Regen und Gewitter nordostwärts vorankommen, wird z.Zt. von der Numerik noch
unterschiedlich simuliert -, verläuft die Nacht nach Norden und Osten gering
bewölkt oder klar und trocken. Dabei frischt der Ost-Südostwind vor allem über
der Nordsee merklich auf, was warntechnisch (Böen 7 Bft) aufgrund der ablandigen
Komponente wohl aber nur Helgoland betreffen dürfte.

In der Osthälfte geht die Temperatur auf 11 bis 5°C zurück, im Westen stehen
vergleichsweise milde 15 bis 9°C auf dem Zettel.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die beschriebene Entwicklung wird modellübergreifend homogen simuliert. Leichte
Unsicherheiten betreffen die die Konvektion (ja/nein) bzw. die Ausdehnung und
Intensität der Regenfälle und Gewitter in der Nacht zum Montag.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann